#Whomademyclothes oder #whos(not)inmybag
Bangladesch 2013.
Ein verhängnisvoller Morgen in einer der vielen Textilfabriken Bangladeschs, Rana Plaza.
Eine der zahlreichen Textilarbeiter*innen tritt an diesem Tag wie so oft ihren Dienst an, wir
möchten sie hier Rosina nennen.
Rosina: „Als wir in die Fabrik kamen, sahen wir die Risse. An der Decke, am Boden. Aus den
Stützpfeilern drangen bereits die Eisenstangen. Ich nahm meine Schwester und sagte: Komm, lass
uns lieber gehen!“
Keinen Monat zuvor wurde eben diese Fabrik vom TÜV Rheinland abgenommen, mit dem
Ergebnis: keine Mängel, der Zustand sei in Ordnung und die Arbeitsbedingungen angemessen.
Der Realität entsprach das leider nicht. Starke Schäden an der Infrastruktur und
menschenunwürdige Arbeitsbedingungen bestimmten das Bild rund um die Arbeit in der Rana
Plaza. Die Arbeiter*innen hatten keine Wahl und Kraft, sich den Verantwortlichen gegenüberzustellen,
wodurch viele an diesem Morgen ihr Leben verlieren würden.
Rosina: „'Wieso willst du gehen‘, fragte er mich. ‚Die anderen arbeiten doch auch.'Ich sagte ihm:
‚Dann kürze doch mein Gehalt.'In dem Moment fiel der Strom aus. Der Generator sprang an. Dann
stürzte alles ein. Ich habe meine Schwester nicht mehr gesehen. Ich dachte, sie ist auf dem Weg
nach draußen. Dann fiel ich in Ohnmacht.“
Vielen mag dieses katastrophale Ereignis des 24. April 2013 in der Textilfabrik Rana Plaza in
Bangladesch noch präsent sein. Die Fabrik produzierte für Anbieter wie Primark, Benetton, Mango,
C&A, Adler Modemärkte und Kik unter menschenunwürdigen Bedingungen. Was vielen nicht
bekannt war: Eben diese Fabrik wurde kurz zuvor noch von verschiedenen Prüfstellen als
„angemessen“ eingestuft, unter anderem auch durch den TÜV Rheinland. Dass durch dieses
Zugeständnis von den über 5.000 Arbeiter*innen 1.136 starben und über 2.000 schwer verletzt
wurden, zeigt, unter welchen Bedingungen teilweise in Entwicklungsländern produziert wird und
dass das nicht immer folgenlos bleiben kann.
Die Katastrophe sorgte international für Schlagzeilen und barg die Grundlage für eine weltweite
Debatte über die Missstände in der Textilproduktion. Im Mai 2013 unterzeichneten daraufhin 200
Textilunternehmen aus über 20 Ländern den Bangladesch Accord, ein Abkommen über
Brandschutz und Gebäudesicherheit in Textilfabriken. Dieses 5-jährige Abkommen wäre 2018 außer Kraft getreten, wurde jedoch durch einen neuen Transition Accord abgelöst, der die bereits erzielten Erfolge sichern sollte. 2021 läuft nun aber auch dieser Transition Accord aus und wird von der durch die Regierung Bangladeschs gegründeten Gesellschaft RMG Sustainability Council (RSC) abgelöst. Dabei wird vor allem eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und Rechte für die Arbeiter*innen befürchtet, da es sich bei der RSC um einen durch die Regierung bestimmten Zusammenschluss handelt. Ob und wie sich die Lage für die Textilindustrie in Bangladesch verändert, bleibt aber nach dem Inkrafttreten des RSC 2021 abzuwarten.
Dass seitens der Unternehmen nicht immer auf die Produktionsbedingungen geachtet wird, macht es für Konsumenten umso wichtiger, bewusst Lieferketten zu betrachten, immer wieder mehr Transparenz und Rückverfolgung einzufordern und sich selbst die Frage zu stellen: Woher kommt mein Produkt und wer hat es unter welchen Bedingungen hergestellt?
Ein entscheidender Faktor, der zu den Geschehnissen in Bangladesch beigetragen hat, war die
mangelhafte und intransparente Kommunikation und Informationsgrundlage über die
Produktionsbedingungen in Rana Plaza und den Lieferketten der dort produzierenden
Unternehmen.
Ein Kleidungsstück wird in der Regel nicht von dem Label, das wir kennen und lieben, selbst
produziert. Die Rohstoffe werden angebaut, zu Garnen versponnen, zu Stoffbahnen verarbeitet,
vernäht und veredelt. Diese Wertschöpfungsschritte werden zumeist von verschiedenen globalen
Zulieferern erbracht. Die Labels selbst sind dabei oft nur mit den Nähereien in Kontakt, die die
Stoffe und Zutaten selbstständig zukaufen. Die vielen Stopps und unterschiedlichen Produktions-/
Herstellungsorte erschweren dabei die Nachverfolgung. Die Anzahl von Personen, die in der
globalen Herstellungskette von Textilien beteiligt sind, kann dadurch nicht vollständig erfasst
werden und Missstände oder Lücken in den Lieferketten werden häufig übersehen.
Um die Globalisierung der Textilindustrie zu verdeutlichen: eine Studie hat ermittelt, dass ein t-Shirt
noch vor seinem eigentlichen Gebrauch im heimischen Kleiderschrank einen durchschnittlichen Weg von über 27.500 km zurücklegt. Dass dabei seitens der Unternehmen nicht immer auf die Qualität aller Schritte und Produktionsweisen geachtet wird, macht es für
Konsumenten umso wichtiger, bewusst Lieferketten zu betrachten, immer wieder mehr
Transparenz und Rückverfolgung einzufordern und sich selbst die Frage zu stellen: Woher kommt
mein Produkt und wer hat es unter welchen Bedingungen hergestellt?
Die Karte zeigt die einzelnen Produktionsschritte mit den entsprechenden Transportwegen Ihres t-Shirts: Dazu gehört
das Wachstum der Rohstoffe, die zu Garnen gesponnen, zu Stoffbahnen verarbeitet, genäht und veredelt werden.
Denke daran: Jeder Schritt findet in einer anderen Region statt!
Fun fact: Der durchschnittliche deutsche Autofahrer legt zwischen 10.000 und 15.000 km im Jahr zurück, also nur fast die Hälfte der Strecke, die Dein t-Shirt zurückgelegt hat, bevor es Dich erreicht.
Wie du noch helfen kannst, mehr Transparenz und Nachhaltigkeit in der Textilindustrie zu fördern, erfährst du weiter unten in unseren praktischen Tipps für dich!
Viele der oben genannten Probleme waren Ursachen für die Idee der Gründung der ‘Fashion
Revolution’ Bewegung, die vor allem für ihre Kampagne ‘Who made my Clothes’ bekannt wurde.
Die Bewegung gründete sich 2013 nach dem Unglück in Rana Plaza mit dem Ziel, Konsumenten,
Produzenten und Unternehmen mittels Aufklärung und Forschung sensibler gegenüber
Ungerechtigkeit und Missständen in der Textilindustrie zu machen und das entsprechende
Bewusstsein zu fördern.
Ihre Vision: Eine globale Modeindustrie, die die Umwelt schont und den Menschen über
unternehmerisches Wachstum und Profit stellt. Dabei verfolgt die Bewegung die Idee, wertvolle
Ressourcen zu erhalten und Ökosysteme zu regenerieren, eine Kultur der Transparenz und
Verantwortlichkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu etablieren und lokale
Handwerkskunst gegenüber Produktionen in industrieller Massenproduktion zu fördern.
Anmerkung der Autorin: Die Werte von Fashion Revolution stimmen stark mit den Unternehmenswerten von Melina Bucher überein. Schaue Dich gerne auf unseren Seiten über unsere Transparenz, Handwerkskunst und Nachhaltigkeit um, um mehr Details über unsere Wertschöpfung zu erfahren.
‘It’s allowed to kill for a bag, but a bag shouldn’t kill anyone’.
Dass das Prinzip des allumfassenden Schutzes aller Teilnehmer der Lieferkette in unserem
Konsumverhalten sowie der Modeindustrie verankert werden muss, sollte klar sein. Auch deshalb
erregt die Bewegung durch Aktionen, wie die Fashion Revolution Week, immer wieder
Aufmerksamkeit für die Ausbeutung von Textilarbeiter*innen und Missstände in der
Modeindustrie. Sie mobilisiert die Gesellschaft und schafft dem Thema Raum in politischen und
internationalen Debatten. Auch 2021 stellen sich Designer, Unternehmen und Konsumenten im
Rahmen der Fashion Revolution Week die Frage ‘ who made my clothes?’. Der Fokus soll dieses Jahr
vor allem auf den Lücken in den Wertschöpfungsketten der Unternehmen liegen und dabei den
ungehörten Stimmen der Arbeiter*innen, Gemeinden und Produzenten in den Lieferketten ein
Sprachrohr verschaffen. Besonders sollen Menschen, Unternehmen und die Politik sich dazu
berufen fühlen, Maßnahmen zu ergreifen, die den systemischen Wandel der gesamten
Modeindustrie vorantreiben.
Unter anderem versucht die Fashion Revolution Organisation, Aufmerksamkeit und Beteiligung
durch das Aufzeigen von beispielsweise lückenhafter Transparenz seitens der Modeunternehmen
zu bewirken. Mit dem Fashion Revolution Index wurde der Versuch unternommen, über 250
Unternehmen in ihrer Transparenz zu bewerten und für Konsumenten als auch Unternehmen
einen Anhaltspunkt über die bisherige Berichterstattung von Modeunternehmen zu liefern.
Um bessere soziale Bedingungen für Menschen entlang der gesamten globalen Wertschöpfung
und den Schutz unserer Umwelt zu gewährleisten, müssen wir alle aktiv werden, indem wir unsere
bisherigen Handlungen reflektieren und besser werden. Klar ist: Schneller, höher, weiter wird in
naher Zukunft nicht mehr funktionieren. Und klar ist auch: Ein T-Shirt, das nur 5 Euro kostet, kann
nicht umweltfreundlich und ethisch korrekt produziert worden sein. Im Folgenden möchten wir
einige Möglichkeiten aufzeigen, wie der Gesetzgeber, Unternehmen und Konsumenten für eine
ethische, nachhaltige Modeindustrie einstehen können.
Seitens des Gesetzgebers!
Transparenz und Nachhaltigkeit sind zwei Begriffe, die eine gesetzliche Grundlage benötigen,
anhand derer weitere Beschlüsse getroffen werden können und Regeln festgelegt werden. Erst
diesen März 2021 wurde deshalb durch die EU ein europaweit einheitliches Lieferkettengesetz
beschlossen. Dieses beinhaltet Regelungen über erweiterte
Informationspflichten von Unternehmen über die Arbeitsbedingungen in ihren Lieferketten. Zudem
ergreift der Gesetzgeber Maßnahmen, um Verstöße zu sanktionieren, wie z. B. Bußgelder in Höhe von 100.000 bis 800.000 Euro und Importstopps aus Ländern, in denen Menschenrechtsverstöße
bekannt sind.
Seitens der Unternehmen!
Unternehmen haben die Verantwortung, sichere und fördernde Arbeitsbedingungen zu etablieren.
Gerade junge Unternehmen haben innovative und kreative Ideen, um Transparenz und
Nachhaltigkeit voranzutreiben. Melina Bucher entwickelte beispielsweise ein interaktives und
innovatives Tool, mit dem alle Produktionsschritte der Bucher Bags begleitet werden können: :
Die Karte soll mehr Transparenz schaffen und die gesamte Wertschöpfungskette des Produktes
offenlegen. Dabei wird eine interaktive Karte erstellt und alle Orte markiert, an denen Design,
Produktion oder Herstellung stattfindet. Zudem enthält die Karte zu jedem Unternehmenspartner
ausführlichere Erläuterungen zu dort etablierten Umwelt- und Sozialstandards.
Etwas allgemeiner gefasst, wäre es ein großer Schritt, wenn Unternehmen grundlegend
Technologien zur Nachverfolgung der Lieferkette integrieren würden,
Um potenzieller Problembereiche zu identifizieren, sowie Verbesserung zu erreichen.
Eins ist klar: Ein Shirt, das nur 5 Euro kostet, kann nicht umweltfreundlich und ethisch korrekt hergestellt werden.
Was Du tun kannst!
Auch Konsumenten stehen in der Verantwortung sich mit ihrer Kaufkraft und Stimme für eine
bessere Modewelt einzusetzen. Nachhaltigkeit, Transparenz und Fairness sind keine Begriffe, die
sich ohne aktives Mitwirken etablieren.
Hier haben wir einige Tipps für dich zusammengestellt, wie du den Wandel der Modeindustrie
positiv beeinflussen kannst:
1. Investiere in nachhaltige und transparente Modelabels
Märkte regulieren sich nach Angebot und Nachfrage. Mit dem Kauf eines Produktes setzt Du
deshalb ein aktives Signal: Wenn du von einem Unternehmen kaufst, das besonderen Wert auf
Nachhaltigkeit und Transparenz legst, förderst du dessen Werte. Wenn andere ebenfalls beginnen,
häufiger bei solchen Unternehmen zu kaufen, steigt deren Nachfrage und gleichzeitig sinkt die
Nachfrage nach Produkten von Unternehmen, die keine Verantwortung für ihre Zulieferer oder die
Umwelt übernehmen möchten. Diese müssen sich also entweder anpassen oder werden vom
Markt verdrängt.
© Fashion Revolution
2. Shop small and local
Kleinere Unternehmen haben in der Regel nicht die gleiche Marktmacht gegenüber ihren
Zulieferern. Sie können nicht den gleichen Druck ausüben, wie das große Unternehmen können,
um Einkaufspreise weiter zu reduzieren oder Vertragsbedingungen auszuhandeln, die den
Zulieferern wenig Spielraum für gute Arbeitsbedingungen lassen.
3. Less is more
Sei achtsamer darüber, wie, was und warum du Fashion konsumierst und reflektiere häufiger über
dein Konsumverhalten. Mache dir immer wieder bewusst, dass ein 5 Euro T-Shirt einfach nicht
qualitativ hochwertig sein kann, geschweige denn unter menschenrechtsachtenden Bedingungen
hergestellt wurde. Also lieber ein höherpreisiges, langlebiges Shirt erstehen, als alle zwei Monate ein
neues günstiges T-Shirt zu kaufen.
4. Schließe Dich Bewegungen an und denke kritisch
Durch dein Mitwirken an Bewegungen wie ‘who made my clothes’ werden Themen noch präsenter
und erreichen große Reichweite und Einfluss. Du kannst die Hashtags #whomademyclothes oder
#whatsinmyclothes nutzen, um Unternehmen auf den sozialen Medien nach den sozialen und
ökologischen Bedingungen in ihren Lieferketten zu fragen. Oder du fragst direkt per eMail bei den
Unternehmen. Denn: Unternehmen merken so, dass dir als Kunde das Thema am Herzen liegt und
sie mehr Wert auf eine ethisch korrekte Produktion legen sollten. So kannst du Bewegungen wie
Fashion Revolution in ihren Zielen zusätzlich unterstützen.
5. Starte einen Blog
Mache auf das Thema aufmerksam und informier dich umfassend und objektiv. Achte darauf,
richtige und recherchierte Informationen zu verwenden und gestalte deinen Artikel so, dass er Lust
auf mehr macht.
6. Frag Deine Lieblingsinfluencer
Hinterfrage auch den Konsum und die Werbepartner deiner Influencer und mache durch
Kommentare oder Reaktionen auf das Thema aufmerksam. Influencer sind das Medium der Zeit
und Unternehmen investieren nicht umsonst in Influencer als wichtige Werbepartner: sie haben
einen großen Einfluss auf ihre Follower, gerade auf eine jüngere Zielgruppe. Deshalb haben sie
auch eine besondere Verantwortung. Können 50% Rabattcodes für Fast Fashion Brands nachhaltig
sein? Oder fördern sie eher noch, dass Textilien günstig verkauft werden und lenken die
Aufmerksamkeit weg von den Bedingungen, die dahinter stehen. Wenn du als Follower zeigst, dass
dich soziale Gerechtigkeit, Tierrechte und Nachhaltigkeit interessieren, wird automatisch immer
mehr Content um das entsprechende Thema herum produziert. Und damit auch mehr öffentliches
Interesse und Fokus auf die Themen gelenkt!
Wie Du siehts, es müssen gar nicht immer die großen Taten sein, viele kleine Schritte helfen schon
auf dem Weg zu einer ethischen, nachhaltigen Modewelt.
Throwback…
Als Rosina wieder zu sich kam, zeigte sich ihr ein verheerendes Bild:
Rosina: „Drei Männer lagen irgendwo über mir. Ihr Blut tropfte auf mich. Wir schrien immer wieder
um Hilfe.“
Rosina überlebte das Unglück schwer verletzt, doch sie war eine der wenigen an diesem Tag. Auch
heute noch arbeiten viele Frauen und Männer unter menschenunwürdigen und
lebensbedrohlichen Bedingungen in der Modeindustrie inEntwicklungsländern. Ob wir als
Gesellschaft und die Unternehmen gelernt haben? Vielleicht in Teilen. Eines ist aber klar: Mode
und Fashion sollten keinen Menschen - und kein Tier - ihr Leben kosten.