Was ist eigentlich veganes Leder? Alles über Apfelleder, Kaktusleder, Ananasleder und Co.
Der Markt für Lederprodukte ist im Umbruch – gefragt sind heute insbesondere Innovationen, die den Versuch unternehmen, Polymere basierend auf fossilen Rohstoffen durch biogene und vollständig biologisch abbaubare Materialien zu ersetzen. Eine Vielzahl an etablierten Unternehmen, vor allem aber Startups, entwickeln diese neuen Materialien. Neue Begriffe wie veganes Leder, pflanzenbasiert oder biobasiert sind entstanden, um sich vom typischen synthetischen Kunstleder abzugrenzen. Diese neuen Definitionen können verwirrend sein, da sie oft keine klare Abgrenzung zulassen und die tatsächliche Zusammensetzung der Materialien unklar bleibt.
Was bedeuten diese Begrifflichkeiten also? Sind Ananasleder, Apfelleder oder Kaktusleder wirklich so nachhaltig, wie der Name vermuten lässt? Nachdem wir im Vegan Leather Guide Teil 1 tierisches Leder sowie vegane Monomaterialien näher beleuchtet haben, klären wir nun über die verschiedenen Arten von beschichteten Materialien auf. Ganz am Ende des Artikels findet ihr außerdem eine Übersichtstabelle mit den wichtigsten Merkmalen der bekanntesten Materialinnovationen und eine Beschreibung der zugrunde liegenden Technologie.
Technologie: Synthetisches Leder besteht in der Regel aus einem textilen Träger, der mit zwei oder mehr synthetischen Polymerschichten überzogen ist. Als Trägermaterialien kommen z.B. Polyester, recyceltes Polyester oder Baumwolle oder Viskose zum Einsatz, die mit Polyvinylchlorid (PVC, Vinyl) oder Polyurethan (PU) beschichtet werden. Die lederhafte Oberflächenoptik wird durch die Prägung einer Narbenstruktur nachempfunden [1]. Achtung: Nicht jedes synthetische Leder ist automatisch auch vegan, hier kommt es auf die eingesetzten Farben, Klebstoffe und anderen Rohstoffe im Herstellungsprozess an.
Quelle: eigene Darstellung. [2]
Performance: Synthetisches Leder, auch bekannt als Kunstleder, wird oft mit schlechter Qualität verbunden. Geschuldet ist dieser Ruf vor allem den günstig produzierten Kunstledervarianten von Fast-Fashion-Unternehmen. Dabei ist synthetisches Leder in sei-ner Qualität und seinen Eigenschaften nahezu frei konfigurierbar.
Die Qualität ist abhängig von den eingesetzten Rohstoffen (Trägermaterial, Beschichtung) sowie der Verarbeitung. Die Eigenschaften wie Wasserfestigkeit, Flexibilität und Haltbarkeit sind außerdem im Gegensatz zum tierischen Pendant flexibel veränderbar und können dessen Performance sogar übertreffen [3]. Hochwertiges synthetisches Leder wird insbesondere in der Automobilindustrie für die Innenausstattung verwendet. Synthetisches Leder ist zudem im Gegensatz zu tierischem Leder wassersbeständig und pflegeleicht und muss weder gewachst noch imprägniert werden.
Schon gewusst: Auch traditionelle Luxusmarken nutzen beschichtete Leder oder Kunstleder als be-sonders beständige Materialien in ihren Kollektionen - die bekannten Monogrammtaschen von Gucci und Louis Vuitton sind aus beschichtetem Kunstleder und das Saffiano-Leder von Prada ist ein maschinell genarbtes und gewachstes Leder.
Nachhaltigkeit: Synthetisches Leder hat seine Vor- und Nachteile. Die Gewinnung des Rohöls für die Herstellung ist ressourcenintensiv und die Freisetzung von Mikroplastik, insbesondere beim Waschen von Textilien, problematisch. Die Umweltauswirkungen sind so unterschiedlich wie die Qualität des Materials: Je nach Produktionsland und -stätte, eingesetzten Rohstoffen und Materialdicken unterscheidet sich die Umwelt-belastung. Wissenschaftliche Studien, welche Industriestandards im Bereich von synthetischem und tierischem Leder vergleichen, zeigen jedoch, dass die Herstellung von synthetischem Leder im Durchschnitt deutlich weniger Ressourcen verbraucht als die Herstellung von tierischem Leder [4].
Entsorgung: Hochwertiges synthetisches Leder zeichnet sich insbesondere durch seine Langlebigkeit aus. Allerdings ergeben sich deshalb auch Probleme bei der Entsorgung: Das Material ist biologisch nur schwer abbaubar und Recycling ist in der Praxis noch nicht verbreitet [6].
Einsatz in der Modebranche: Viele Accessoires wie Handtaschen und Gürtel werden aus hochwertigem synthetischem Leder hergestellt. Die Luxus Handtaschen der Designerin Stella McCartney werden vorwiegend aus einer Mischung von Polyester (PL/PES) und Polyurethan (PU) gefertigt.Es wird zudem für die bekannten Monogram Handtaschen der bekannten Luxushäuser wie Louis Vuitton und Burberry genutzt (dort trägt es den Namen Coated Canvas). Synthetisch beschichtete Textilien werden zudem häufig für Schuhe und Mode eingesetzt, beispielsweise für Lederjacken oder -röcke.
Erfahre mehr über Tierleder und synthetisches Leder in unserem Artikel Die 5 bekanntesten Mythen über tierisches Leder.
Das immer größer werdende Interesse der Menschen am Thema nachhaltige Mode wirkt sich auch auf die Beziehung zu synthetischen Materialien aus. Da für die Herstellung von synthetischem Leder Rohöl genutzt wird und die Entsorgung problematisch ist, suchen Konsumenten nach anderen veganen Alternativen. Deshalb versuchen immer mehr Materialhersteller, einen möglichst großen Anteil der rohöl-basierten Rohstoffe durch pflanzliche Fasern oder mineralische Füllstoffe zu erset-zen. So entstanden in den letzten Jahren eine Vielzahl an sogenannten „pflanzen-basierten“ Ledern.
Das Unternehmensberatungs- und Marktforschungsunternehmen Infinium Global Research hat im Februar 2021 eine Marktanalyse zu veganem Leder veröffentlicht. Aus dem Bericht geht hervor, dass der globale Markt für veganes Leder im Progno-sezeitraum von 2020 bis 2026 voraussichtlich eine jährliche Wachstumsrate (CAGR) von 48,1 Prozent zunehmen wird. Der Report beinhaltet Profile von Unter-nehmen wie Ananas Anam Ltd, Desserto, Bolt Threads Inc oder VEGEA SRL [7].
Technologie: Pflanzenbasierte vegane Leder sind beschichtete Textilien, bei denen Früchte, Blätter oder andere pflanzliche Bestandteile zusammen mit Stabilisatoren industriell so bearbeitet werden, dass das Material am Ende die visuellen und haptischen Eigenschaften von tierischem Leder aufweist.
Wie synthetische Leder bestehen pflanzenbasierte Leder aus einem Trägermaterial, welches mit einem oder mehreren Schichten überzogen wird. Nun kommt der pflanzliche Rohstoff zum Einsatz: Im Grundmaterial oder der Beschichtung wird ein Teil der synthetischen Rohstoffe durch pflanzliche Komponenten ausgetauscht. So lässt sich beispielsweise ein Teil der synthetischen PVC/PU Beschichtung durch landwirtschaftliche Abfallprodukte ersetzen [8]. Beispiele dafür sind Apfelleder (AppleSkin, inzwischen umbenannt zu Uppeal, von Mabel Srl und Leap von Beyond Leather), Weinleder (VEGEA) oder Kaktusleder (Desserto), sowie Ohoskin (hergestellt mit sizilianischen Orangen und Kaktus) und Oleatex (hergestellt mit Resten aus der Olivenindustrie).
Abbildung 3: Querschnitte AppleSkin und Desserto.
Quelle: eigene Darstellung. [9]
Bei Pinatex, dem Ananasleder des Herstellers Ananas Anam, wird hingegen das Trägermaterial ersetzt: Pflanzenfasern der Ananasblätter (PALF = Pineapple Leaf Fibre) werden mit Polymilchsäure (PLA) und PU beschichtet [10].
Abbildung 4: Querschnitt Pinatex.
Quelle: eigene Darstellung. [11]
Performance: Die Hybrid-Leder sind in ihren grundsätzlichen visuellen und haptischen Eigen-schaften denen von synthetischem Leder sehr ähnlich. Die synthetischen Bestand-teile dienen dabei meist als Stabilisator der biobasierten Komponente. Damit wird gewährleistet, dass die qualitativen Anforderungen wie Haltbarkeit, Flexibilität oder Farbbeständigkeit erfüllt werden können.
Es gibt derzeit kaum wissenschaftlich basierte Untersuchungen, welche die me-chanischen Eigenschaften anhand von üblichen Parametern in der Materialkunde vergleichen. Erste Analysen weisen aber darauf hin, dass die Performance insbesondere von der Stabilität des Trägermaterials abhängt [12]. Bei Tests in unserer eigenen Manufaktur ließen sich Apfelleder und Kaktusleder wie synthetisches Leder verarbeiten. Ananasleder war in bisherigen Materialtests leider nicht so kratzbeständig, dass es sich für die von uns geforderte Qualität für Designerhandtaschen anbieten würde. Für einzelne Anwendungen, wie beispielsweise Applikationen auf Schuhen, lässt es sich allerdings wunderbar einsetzen.
Nachhaltigkeit: Auch wenn die Hersteller der Pflanzen-Plastik-Hybride mit der Nachhaltigkeit ihrer Materialien werben und Medien sie als nachhaltigere Alternative zu synthetischem Leder anpreisen, gibt es zu den Umweltauswirkungen bisher wenige bis keine wissenschaftlichen Daten. Desserto hat erste Ergebnisse einer LCA-Studie [13] für sein Kaktusleder veröffentlicht, allerdings ist die Erhebungsmethodik bisher nicht öffentlich einsehbar. Deshalb lässt sich die Frage, inwieweit Materialien wie Apfelleder, Kaktusleder oder Ananasleder im Vergleich zu anderen Ledern abschneiden, bisher nur unzureichend beantworten.
Ein Vorteil ist sicherlich, dass ein Teil der fossilen Rohstoffe durch landwirtschaftliche Abfälle ersetzt wird. Das Apfelpuder des Herstellers FRUMAT, welches für Ap-felleder genutzt wird, wird beispielsweise aus Abfällen der Fruchtsaftindustrie her-gestellt. Der Fruchtbestandteil beträgt dabei etwa 20-30 %, 70-80 % sind PU, Poly-ester und Baumwolle [14]. Desserto wird in der Standardvariante aus 33% Kaktus und 67% PU in der Be-schichtung, sowie einem Trägermaterial aus 55% Polyester und 45% Baumwolle hergestellt. Inzwischen bieten die Materialhersteller Modeunternehmen auch an, das Material individuell zu konfigurieren. Das bedeutet, dass der biobasierte Anteil von Produkt zu Produkt unterschiedlich sein kann.
Zudem stellen die jungen Unternehmen Informationen zu Herstellungsorten und -bedingungen häufig auf transparentere Weise bereit, als es bei Gerbereien von tie-rischem Leder oder den Herstellern von synthetischen Materialien üblich ist. Über-raschenderweise besteht das Trägermaterial in der Standardausführung der Mate-rialien jedoch oft aus Polyester bzw. Polyester-Baumwoll-Mischgewebe, obwohl die Unternehmen mit dem Verzicht auf fossile Rohstoffe werben. Dies lässt sich mit der besseren Performance und dem günstigeren Preis von synthetischen Textilien erklären.
Entsorgung: Da die pflanzenbasierten Materialien mit synthetischen Komponenten gemischt werden, ist eine biologische Abbaubarkeit nicht gegeben. Auch die Reyclingfähigkeit ist bisher nicht thematisiert, grundsätzlich sind Mischmaterialien allerdings noch schwieriger zu recyceln als reine synthetische Materialien.
Einsatz in der Modebranche: Die Materialien haben sich bisher für den Einsatz von Accessoires bewährt und sind in der Produktion genauso oder ähnlich zu verarbeiten wie synthetische Leder. Das deutsche Unternehmen Nuuwai fertigt zum Beispiel Taschen aus Apfelleder und Sylven New York stellt daraus hochwertige Schuhe her. Seit 2021 kollaboriert Karl Lager-feld mit der Schauspielerin und Umweltaktivistin Amber Valetta. Die Kollektionen enthalten unter anderem Taschen aus Kaktusleder. Das Material von Desserto wurde zudem bereits in einem Show Car von BMW genutzt und für ein Uhrenarm-band einer Hublot Limited Edition eingesetzt. Pinatex, welches eine besondere Oberflächenstruktur aufweist, wurde beispielsweise für eine Schuhkollektion von HUGO BOSS genutzt.
Technologie: Ein neues, spannendes Material ist MIRUM®™ von Natural Fiber Welding, einem Biotech Unternehmen aus den USA, welches auf Kautschuk spezialisiert ist. Das Besondere: Natural Fiber Welding ist gelungen, ein zu hundert Prozent biobasiertes und plastikfreies veganes Leder zu entwickeln. Auch MIRUM® nutzt ein Trägermaterial, – derzeit wird Biobaumwolle, Baumwolle oder Tencel eingesetzt. Erstmalig sind darüber hinaus auch die Beschichtung sowie die Klebstoffe nicht synthetisch, sondern bestehen zu 100 % aus Pflanzen und anderen natürlichen Inhaltsstoffen [15]. Das Verfahren wurde patentiert und verspricht unter dem Motto Plants not Plastic den vollständigen Verzicht auf Plastik.
Abbildung 5: Querschnitt Mirum®.
Quelle: eigene Darstellung. [16]
Performance: Das Material verhält sich in seinen visuellen und haptischen Eigenschaften wie tierisches Leder. In der Verarbeitung benötigt es spezielles Know-How, da es sich weder wie tierisches noch synthetisches Leder verhält. Die Performance hat sich in den letzten Jahren enorm verbessert und das Material erreicht inzwischen sogar technische Performanceparameter aus dem Automobilbereich. Im neuen BMW Neue Klasse wurde das Material für Sitzbezüge eingesetzt, eine Anwendungen für Ledermaterialien mit den striktesten Anforderungen.
Nachhaltigkeit: Natural Fiber Welding gibt an, dass die Produktion von MIRUM® nur einen Bruch-teil der CO2-Emissionen und Energie von tierischem und synthetischem Leder be-nötigt. Zudem wird bei der Herstellung kein Wasser verbraucht. Eine erste LCA-Studie, die von Natural Fiber Welding im Jahr 2022 durchgeführt wurde, zeigt mit einem berechneten CO2-Fußabdruck von 2,1 kg / Meter Material vielversprechende Ergebnisse. Das sind rund 90% weniger Emissionen als bei tierischem Leder [17]
MIRUM® besteht aus rein natürlichen Rohstoffen wie Naturkautschuk, pflanzlichen Ölen, natürlichen Pigmenten und Mineralien. Die Rohstoffe sind teilweise Abfallstof-fe aus anderen Industrien. Natural Fiber Welding nutzt FSC-zertifizierten Naturkautschuk und hat im Jahr 2023 zudem ein Projekt mit Terra Genesis initiiert, um eine regenerative Lieferkette für Latex (die Basis von Naturkautschuk) mit lokalen Farmern in Thailand aufzubauen [18].
Ein klarer Vorteil gegenüber anderen veganen Ledern ist, dass MIRUM®™ nur aus natürlichen Bestandteilen besteht. Die ersten Versionen haben bereits die „USDA biobased“ Zertifizierung erhalten. Biobasiert bedeutet dabei, dass für das Material nur biogene Rohstoffe anstelle von fossilen Rohstoffen verwendet werden. Es werden außerdem keine PU-Beschichtung und kein synthetischer Klebstoff verarbeitet. Dies bedeutet auch, dass MIRUM® recycelt oder sicher in die Natur zurückgeführt werden kann [19].
Entsorgung: MIRUM® ist circular by design, das Material wurde also für die Kreislaufwirtschaft entwickelt [20]. Natural Fiber Weldinf hat beispielsweise das EndWell Programm initiiert, mit dem sie MIRUM Schnittreste zu neuen Produkten recyclen können. Aufgrund des natürlichen Ursprungs kann sich das Material alternativ in der Natur abbauen, wobei es derzeit keine Abbaubarkeit von unter einem Jahr erreicht, die für manche Länder als Standard vorgesehen ist, um als biologisch Abbaubar zu gelten [21].
Entwicklung in der Modebranche: MIRUM® hatte in den letzten Jahren mehrere Markteinführungen in den Bereichen Schuhe, Bekleidung und Lederwaren. Wir waren weltweit die Ersten, die 2022 die Henkeltasche BAILEY aus MIRUM® auf den Markt brachten, für die wir mit dem PETA Vegan Fashion Award und dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis für Design ausgezeichnet wurden. Andere tolle Designer wie ASK Scandinavia, Burggraf Burggraf, Anita Dongre oder die vegane Marke Sentient haben ebenfalls Handta-schen aus diesem bahnbrechenden Material auf den Markt gebracht. Im Schuhbe-reich haben Unless Collective und Nooch mit MIRUM® vollständig biobasierte Sneaker entworfen. PANGAIA verwendete es in einer Capsule-Kollektion für eine Weste und einige Kleinlederwaren. BMW ist ein Investor in Natural Fiber Welding und hat kürzlich den BMW Vision Neue Klasse mit MIRUM®-Sitzen und -Interieur vorgestellt. Bislang ist das Material nur in neutralen Farben wie Schwarz, Braun und Off-White erhältlich. Da es im Gegensatz zu synthetischen Ledern oder pflanzlich-synthetischen Hybriden nicht mit chemischen Farbstoffen gefärbt wird, sondern die Farbe durch Mineralien und andere natürliche Stoffe entsteht, sind weitere Farben noch in der Entwicklung.
Technologie: Uncaged ist ein Material des von Frauen gegründeten US-Startups Uncaged Inno-vations. Das Material ist ebenfalls ein beschichtestes Textil mit einer Beschich-tungstechnologie auf Basis von Getreideproteinen. Das Biotechnologieunternehmen hat tausende Materialkombinationen getestet, um eine Kombination mit den besten Materialeigenschaften zu entwickeln. Um die strukturelle Funktion von Kol-lagen aus der Tierhaut nachzuahmen, nutzen sie Getreideproteine. Darüber hinaus kommen Naturkautschuk, Kaffeekirschen und pflanzliche Lipide zum Einsatz.
Performance: Uncaged befindet sich noch in der Entwicklung. Erste Anwendungstests in unserer Manufaktur sind sehr vielversprechend. Materialtests der mechanischen Parameter sind derzeit noch nicht öffentlich zugänglich. Uncaged kann bereits in einem Roll-to-Roll-Fertigungsprozess hergestellt werden.
Nachhaltigkeit: Uncaged nutzt verschiedene pflanzliche Rohstoffe, um die Eigenschaften von tierischem Leder zu imitieren. Das Trägermaterial sowie die Beschichtung sind 100% biobasiert und plastikfrei. Derzeit nutzt das Unternehmen allerdings noch ein Spray Finishing, welches ca. 1% der Materialdicke ausmacht und teilweise synhtetisch ist (67% biobasiert, 33% synthetisch). Das Material ist in einer Auswahl an Farben er-hältlich, die aus Pflanzenfasern oder Mineralien gewonnen warden. Dazu zählt bei-spielsweise ein leuchtendes rot, welches aus Kaffeekirschen gewonnen wird. Das Trägermaterial besteht typischerweise aus (Bio-)Baumwolle. Eine LCA Studie wurde noch nicht durchgeführt.
Uncaged wurde von Stephanie Downs gegründet, einer erfahrenen Gründerin und Tierrechtsaktivistin. Sie ist eine ethische Veganerin und hat beispielsweise bereits erfolgreich ein veganes Food-Startup gegründet und für die Material Innovation Initiative gearbeitet. Wir sind große Fans davon, dass eine Tierliebhaberin wie wire in Materialstartup gegründet hat!
Entsorgung: Das Material ist zu > 99% biobasiert. Ob und wie die teilweise synthetische Beschichtung die Abbaubarkeit beeinflusst, muss noch analyisiert werden. Außerdem stehen Tests zur Recyclingfähigkeit noch aus.
Entwicklung in der Modebranche: Uncaged ist ein vielversprechendes Material, welches sich noch in der Entwicklung befindet. Erste Produktlaunches sind für 2024 geplant. Im Jahr 2023 hat das Unternehmen eine Investmentrunde von $2 Millionen erfolgreich abgeschlossen. Inves-tor ist unter anderem Jaguar Land Rover, das bei der Entwicklung des Materials für die Automobilbranche unterstützen wird.
Technologie: Treekind ist ein Material des von Frauen gegründeten Start-ups Biophilica aus dem Vereinigten Königreich. Das Material ist ein beschichtetes Textil auf der Grundlage von Lignozellulose aus lokalen städtischen Parks und Gärten, landwirtschaftlichen Abfällen und einem natürlichen Bindemittel. Wie MIRUM® wird es zu 100 % aus natürlichen Rohstoffen hergestellt und ist damit völlig plastikfrei.
Performance: Obwohl sich das Material noch in der Entwicklung befindet, hat es bereits gute Testergebnisse bei mechanischen Testparametern wie Flexibilität, Zugfestigkeit oder Abrieb erzielt [22]. Da es derzeit noch recht steif ist, eignet es sich am besten für boxy Designs.
Nachhaltigkeit: Treekind bietet hervorragende Nachhaltigkeitsparameter. Es handelt sich um ein vollständig biobasiertes, plastikfreies Material. Eine erste von der Universität Bangor durchgeführte Ökobilanzstudie zeigt, dass das Material nur 2.19 kg CO2 ausstößt, was einer Reduktion von ca. 90 % im Vergleich zu tierischem Leder entspricht. Außerdem benötigt es im Vergleich zu einem durchschnittlichen Ledergerbungsprozess nur ca. 0,1% Wasser im Herstellungsprozess. Das Material ist entweder unge-färbt in verschiedenen natürlichen Farbtönen wie Braun, Dunkelrot oder Dunkel-grün erhältlich oder es kann mit natürlichen Pigmenten gefärbt werden. Das Trägermaterial besteht in der Regel aus ungefärbter Baumwolle.
Entsorgung: Treekind ist das einzige vegane Leder, das als heimkompostierbar zertifiziert ist [23]. Nach Angaben von Biophilica kann es auch recycelt werden, obwohl dies bisher nur im Labormaßstab getestet wurde.
Entwicklung in der Modebranche: Treekind ist ein sehr spannendes Material, das sich noch in der Entwicklung befin-det. Been London hat einige erste Taschen und Kleinlederwaren entworfen, die noch nicht im Handel erhältlich sind. Die Schweizer Uhrenmarke ID Genève verkauft Uhrenarmbänder aus Treekind für ihre Uhren Circular 1 und Circular S. Ge-nau diese Uhr wurde kürzlich auch von Leonardo DiCaprio getragen [24].
Technologie: NUVI ist ein deutsches Start-up, das biobasierte, plastikfreie Materialien aus Algenpolymeren, pflanzlichen und mineralischen Füllstoffen und einer Flachsunterlage herstellt. Alle Rohstoffe werden aus der EU bezogen. Obwohl einige der Materialien des Unternehmens lederähnlich aussehen, haben sie sich auf Materialien spezialisiert, die die natürlichen Eigenschaften der Rohstoffe widerspiegeln. NUVI befindet sich noch in der Entwicklung, hat aber bereits gezeigt, dass ihre Materialien in ei-nem Roll-to-Roll-Fertigungsprozess hergestellt werden können. NUVI verwendet zum Beispiel Marmorpulver, das dem Material den feinen Glanz eines echten Marmorgesteins verleiht. Aus dem ehemals harten Gestein wird damit ein weiches und fließendes Material, das Designern neue kreative Möglichkeiten eröffnet.
Performance: NUVI befindet sich noch in der Entwicklungsphase, hat aber bereits gezeigt, dass seine Materialien in einem Roll-to-Roll-Fertigungsprozess hergestellt werden können. Das Unternehmen gibt an, dass seine Materialien für Anwendungen wie Lederwaren, Schuhe, Möbel oder Automobilinnenräume geeignet sind und dass sie ähnliche mechanische Eigenschaften wie Tierleder aufweisen.
Nachhaltigkeit: NUVI ist ein vollständig biobasiertes, plastikfreies Material. Alle Rohstoffe stammen aus der EU. Die Materialien selbst werden sogar in Deutschland hergestellt. Die Materialien sind entweder ungefärbt und zeigen dann die natürlichen Eigenschaf-ten der Rohstoffe oder sie werden mit natürlichen Pigmenten gefärbt. Das Träger-material besteht in der Regel aus ungefärbtem Flachs. Eine LCA-Studie wurde noch nicht durchgeführt.
Entsorgung: NUVI wird nur aus natürlichen Rohstoffen hergestellt und sollte daher biologisch abbaubar sein. Eine offizielle Prüfung der biologischen Abbaubarkeit ist geplant.
Einsatz in der Modebranche: NUVI verspricht neue spannende Designmöglichkeiten. Noch ist kein Produkt aus dem Material im Handel erhältlich. Für die Future Fabric Expo im Januar 2024 haben wir eine erste Tasche aus deren Kreide- und Marmor-Materialien entworfen.
Im Folgenden ist ein ausführlicher Vergleich der am meisten diskutierten veganen Leder auf der Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen zu finden. Wo noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen vorliegen, haben wir mit keine ausreichenden Daten verfügbar gekennzeichnet. Für die Bewertung der Leistung haben wir sowohl Firmeninformationen als auch unsere eigenen Erfahrungen mit den Materialien einbezogen.
Vergleich der bekanntesten veganen Leder (© Melina Bucher).
Sources:
[1] Meyer, M.; Dietrich, S.; Schulz, H.; Mondschein, A. (2021): Comparison of the Technical Performance of Leather, Artificial Leather, and Trendy Alternatives. In: Coatings, 11, 226. Retrieved on 01. February 2021, https://doi.org/10.3390/coatings11020226, p. 2.
[2] Kumar, S. & Kumar, Y. (2021): Economic Sustainability Analysis of Natural Leather Industry, And Its Alternative Advancements, Open Access Master's Report, Michigan Technological University. Retrieved on 01. February 2021, https://doi.org/10.37099/mtu.dc.etdr/1203, p. 43.
[3] Meyer et al., 2021, p. 2.
[4] Herva, M.; Álvarez, A.; Roca, E. (2011): Sustainable and safe design of footwear integrating ecological footprint and risk criteria. Journal of Hazardous Materials. 9, 192(3):1876-1881. https://doi.org/10.1016/j.jhazmat.2011.07.028, p. 1879.
Kering (2020a): Sustainability Progress Report 2017-2020. Retrieved on 26. October 2021, https://keringcorporate.dam.kering.com/m/242e491bd51cfae0/original/Kering- Sustainability-Progress-Report-2017-2020.pdf
Kering (2020b): Material Intensities. Retrieved on 26. October 2021, https://kering-group.opendatasoft.com/pages/material-intensities/
Gottfridsson, M.; Zhang, Y. (2015): Environmental impacts of shoe consumption, Combining product flow analysis with an LCA model for Sweden. Retrieved on 01. February 2021, https://odr.chalmers.se/server/api/core/bitstreams/3b4dba7d-a0aa-4f29-931f-0d07e78e02b7/content, p. 35.
[5] Environmental Impact of Animal Leather vs. Synthetic Leather. The higher the number, the more harmful is a material for the environment. (HIGG Co, 2021, Material Sustainability Index, https://portal.higg.org/).
[6] Studies have identified both fungi and bacteria that decompose PU. However, biodegradability strongly depends on the exact chemical composition of the PU material used.
Howard, G. (2002): Biodegradation of polyurethane: a review. Retrieved on 22. October 2021, https://doi.org/10.1016/S0964-8305(02)00051-3, p. 245.
Howard, G. (2012): Polyurethane Biodegradation. Retrieved on 22. October 2021, https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-642-23789-8_14, p. 374-381.
[7] Infinium Global Research, 2021, https://www.infiniumglobalresearch.com/reports/global-vegan-leather-market
[8] Meyer et al., 2021, p. 3.
[9] Exemplary representation of the material cross-section of Appleskin and Desserto, based on Meyer et al., 2021, p. 5-6.
[10] Using the example of Piñatex® ORIGINAL Amazon Green, https://store.ananas-anam.com/collections/original/products/original-amazon-green
[11] Representation of the material cross-section of Pinatex, based on Meyer Meyer et al., 2021, p. 5-6.
[12] Meyer et al., 2021, p. 7.
[13] Life-cycle assessments (LCA): These studies evaluate the totality of all energy and material flows within the value chain and calculate various potential environmental impacts. CO2 emissions, water consumption and toxicity, for example, are measured and evaluated.
[14] AppleSkinTM, https://luxtralondon.com/pages/apple-skin
[15] N atural Fiber Welding (NFW), https://mirum.naturalfiberwelding.com
[16] Representation of the material cross-section of MIRUM®, based on https://mirum.naturalfiberwelding.com
[17] NFW, https://blog.nfw.earth/mirum-lca-carbon-footprint
[18] NFW, 2024, https://online.fliphtml5.com/hpmqh/ofct/#p=22
[19] NFW, https://blog.nfw.earth/mirum-lca-carbon-footprint
[20] The circular economy aims to reuse used materials. Ideally, product cycles are closed according to the cradle-to-cradle principle. See also Meyer, at al., 2021, p. 1.
[21] Natural Fiber Welding, https://mirum.naturalfiberwelding.com/faq?hsLang=en
[22] Biophilica (2024): Treekind. https://www.biophilica.co.uk/treekind
[23] Home Compostable according to ISO 14855-1 testing procedure; Biophilica, 2024, https://www.biophilica.co.uk/treekind
[24] Something about Rocks (2023): Leonardo DiCaprio invests in eco watch brand ID Genève. https://somethingaboutrocks.com/article/leonardo-dicaprio-invests-in-eco-watch-brand-id-geneve/